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G. W. Pabst Retrospektive

Zum Bundesstart zeigen wir Angela Christliebs Dokumentarfilm PANDORAS VERMÄCHTNIS über G. W. Pabst, der den großen Regisseur des Weimarer Kinos in einem neuen Licht und aus den Augen seiner Ehefrau Trude betrachtet. Wir freuen uns sehr, dass zur Vorführung von PANDORAS VERMÄCHTNIS am 5. April Marion Jaros, die Protagonistin und Enkelin von Trude und G. W. Pabst, zu Gast sein wird.
Begleitend zu dem dokumentarischen Biopic zeigen wir im April und Mai frühe Spielfilme von G. W. Pabst aus dem Bestand der Murnau-Stiftung und beginnen mit dem weniger bekannten Stummfilm DIE LIEBE DER JEANNE NEY und dem Biopic PARACELSUS, das in der NS-Zeit entstand. Am 14. Mai gibt es den Stummfilm TAGEBUCH EINER VERLORENEN mit Live-Musik von der Akkordeonistin Natalie Böttcher zu sehen!

G. W. Pabst
Georg Wilhelm Pabst wurde am 27. August 1885 im böhmischen Raudnitz geboren. Erverbrachte seine Kindheit und Jugend in Wien, wo er ab 1901 Schauspielunterricht am Konservatorium nahm, nachdem die angestrebte Offizierskarriere an seiner Kurzsichtigkeit gescheitert war. Es folgten zahllose Engagements an Bühnen in Österreich, der Schweiz und Deutschland, bevor er 1912 am Deutschen Volkstheater in New York sein Regiedebüt gab.

Auf der Heimreise wurde er vom Ausbruch des Ersten Weltkriegs überrascht und noch vor seiner Landung in Frankreich als feindlicher Ausländer festgesetzt. Während der vierjährigen Internierungszeit bei Brest organisierte er dort das Lagertheater. Pabst kehrte 1919 nach Wien zurück und wurde, neben diversen anderen Engagements, künstlerischer Leiter der avantgardistischen Neuen Wiener Bühne.
Sein Regiedebüt gab Pabst 1922 mit der Froelich-Film-Produktion DER SCHATZ, bei dem er gemeinsam mit Willi Hennings auch für das Drehbuch verantwortlich zeichnete. Zwei Jahre später heiratete Pabst Hennings Schwester Gertrude, mit der er einen Sohn bekam. 

G. W. Pabst zählt zu den bedeutendsten Regisseuren der Stummfilmzeit. Dramen des Lebens inszenierte er detailgetreu, realistisch und provokativ. Zahlreiche Frauenrollen seiner Filme – mit Stars wie Asta Nielsen und Greta Garbo und Louise Brooks besetzt – liefen bürgerlichen Moralvorstellungen und Tabus zuwider und fielen häufig der staatlichen Zensur zum Opfer.
So gilt DIE FREUDLOSE GASSE (1925) mit Nielsen, Garbo und Werner Krauß bis heute als Meisterwerk des sozialkritischen Realismus, das Pabsts Ruf als Meister der Neuen Sachlichkeit begründete. Von der Kritik gefeiert, wurde der Film zugleich aber von diversen Zensurbehörden in Europa und vom Importeur in den USA fast bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt.
DIE LIEBE DER JEANNE NEY (1927) ist ein für die Produktionsfirma Ufa ungewöhnlicher Stummfilm, der in der Kameraarbeit Elemente des sowjetischen Revolutionskinos im Stile Eisensteins und Pudovkins mit dem Expressionismus deutscher Prägung mischt.

1930 realisierte Pabst mit WESTFRONT 1918. VIER VON DER INFANTRIE seinen ersten Tonfilm. Die pazifistische Ausrichtung dieses Films, der für eine deutsch-französische Aussöhnung plädierte, zementierte seinen Ruf als der „rote Pabst“. Im selben Jahr kam es bei der Verfilmung der „3-Groschen-Oper“ zum Bruch, bzw. Rechtsstreit mit Bertolt Brecht und Kurt Weill, die in Pabsts Inszenierung eine Verletzung ihrer Grundidee des epischen Theaters sahen.

Obwohl er sich offen vom amerikanischen Filmwesen distanzierte, ging Pabst 1933 nach Hollywood, wo er 1934 einen einzigen Film A MODERN HERO inszenierte. Die Dreharbeiten waren von heftigen Auseinandersetzungen zwischen den Verantwortlichen beim Studio Warner Bros. und dem Regisseur geprägt, der sich der streng regulierten Produktionsweise des amerikanischen Studiosystems nicht fügen mochte. Pabst verfasste in Hollywood vier Drehbücher, die allesamt nicht produziert wurden, so dass er 1936 enttäuscht nach Frankreich zurückkehrte, wo er mehrere Unterhaltungsfilme drehte.

Trotz des erfolgreichen Versuchs, in Hollywood Fuß zu fassen, entschied sich Pabst dorthin auszuwandern. Bereits im Besitz eines Ausreisevisums in die USA, als er 1939 bei einem Familienbesuch in Österreich vom Kriegsausbruch überrascht wurde. Als Ausreiseversuche über Rom scheiterten und ein Bruch ihn ans Krankenbett fesselte, blieb Pabst schließlich in Deutschland, was ihm den Ruf eines Opportunisten einbrachte.

Für die Bavaria inszenierte er während der Nazizeit die linientreuen Biopics KOMÖDIANTEN (1941) und PARACELSUS (1943). Leni Riefenstahl engagierte Pabst für die Schauspielerführung bei ihrer Produktion TIEFLAND (1940-44), doch es kam bald zum Streit und zur Beendigung der Zusammenarbeit. Sein letzter Film vor Kriegsende DER FALL MOLANDER blieb unvollendet. Weitere angekündigte Projekte wurden zuvor nicht realisiert, und manches spricht dafür, dass Pabst sich durch eine Hinhaltetaktik der Forderung Goebbels nach einem Propagandafilm zu entziehen suchte.

Nach Kriegsende blieb Pabst in Österreich. Es begann eine Phase der versuchten Rehabilitierung, in der er neben wenig erfolgreichen Genrefilmen immer wieder Projekte realisierte, die sich kritisch mit dem NS-Regime auseinandersetzen wie DER PROZESS (1948), für den Ernst Deutsch in Venedig mit dem Darstellerpreis ausgezeichnet wurde, und das Stauffenberg-Drama ES GESCHAH AM 20. JULI (1955) mit Bernhard Wicki in der Hauptrolle. Im Jahr 1956 entstand Pabsts letzter Film DURCH DIE WÄLDER, DURCH DIE AUEN, der zugleich auch sein einziger Farbfilm ist.

Seit Mitte der 1950er Jahre litt Pabst an Diabetes. Als er 1957 an Parkinson erkrankte, musste er seine Filmarbeit endgültig beenden. Am 29. Mai 1967 starb Georg Wilhelm Pabst in Wien an akuter Leberinfektion.

Bild: PANDORAS VERMÄCHTNIS © Karsten de Riese 

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